Mittelbayerische Zeitung

Musikmagazin

..Addio" Schwulst und Schmalz: Schönheit kehrt zurück

Das Regensburger Quartett "Mudestra" bettet Neapels Lieder in klassische Eleganz - und bringt sie wieder auf die Straße

"Was in Wirklichkeit aus diesen Liedern spricht, ist Trauer, eine unfaßbare verhüllte Trauer über die Unerfüllbarkeit des Lebens, eine Melancholie, die die Musik den Tränen vorzieht, ein in Poesie und verhaltener Stimme eingehüllter uralter Schmerz über die Grausamkeit der Liebe, über die sinnlosen Aufwendungen eines Gefühls, das dem Glück entgegengesetzt ist." (Reinhard Raffalt, Dichter)"

Die Leute, die das damals geschrieben haben, das waren nicht alles Profis", erzählt Reinhold Bauer, "da waren richtige Metzger dabei". Komponierende Metzger? Wo gibt es sie, die Menschen, die Liebe besingend Säue zerhacken? In Neapel, in jener Stadt, in der Capri-Fischer-Romantik und Cosa-Nostra-Tragik so nah, der Charme der sinkenden Sonne und die Scham der düsteren Armut beisammen sind. Und über allem liegt Musik. Liegen die Canzone Neapoletana, die wie alles in Klischees leben; in schwulstigem Schlagerschmalz ("St. Lucia Luntana"), in zotigem Suffgedöns ("O Sole mio"). Doch jetzt gibt es das Quartett "Mudestra", jetzt gibt es die CD "Addio A Napoli" - und Schönheit hat wieder einen Ton.

"Die ganzen Gassenhauer"

"Mudestra" steht für "Musica della Strada", steht für die Herkunft der neapolitanischen Klage und bringt sie dorthin zurück. Das Regensburger Quartett hat 17 neapolitanische Volkslieder eingespielt, ohne orchestrale Klangwolke, nur mit Gesang, Gitarre, Mandoline, Perkussion. Befreit vom Beiwerk des Hörkommerzes, der aus jedem Einzelstück ein Massenmusical macht, offenbaren "die ganzen Gassenhauer" (Reinhold Bauer) ihre zerbrechliche Zärtlichkeit wie ihr berstendes Temperament. Am Ende steht mehr als eine CD, die sogleich den Drang weckt, nach Neapel aufzubrechen. Am Ende steht eine musikalische Reise in den Genuss.

Zu verdanken ist diese Reinhold Bauer, Clemens Maria Peters, Thomas Tezzele und Gustavo A. Martin Sanchez. Sanchez, ein in Regensburg geborener Spanier, legte im vergangenen Jahr das Abitur bei den Regensburger Domspatzen ab und studiert Gesang an der Musikhochschule München. Der Tenor verschmilzt Leichtigkeit und Lust, Ironie und Wehmut. Seine Stimme nutzt er so professionell wie sie unbedarfte Knabenhaftigkeit ausstrahlt. Sanchez verzichtet nicht auf Pathos, dafür auf Quintenschaukeln, verzichtet nicht auf Schnörkel, dafür auf Heldengeschmetter - diese Lieder kommen eben nicht aus Bayreuth. Peters und Tezzele betten die Melodien weich, zugleich behend auf federnde Akkorde, Läufe, Rhythmen; elegant und eloquent.

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